Mein 486er PC – Nachtrag
Warum nur macht sich jemand die Mühe und investiert Zeit und Geld in den Bau eines 486er PCs. So ein altes Gerät findet fast immer den Weg in den Elektroschrott. Die langsamen alten Kästen braucht heute doch niemand mehr. Ich ticke da offenbar anders, oder bin von Retro Hype angesteckt worden…
Mein 486er PC – Nachtrag
Ich kann es niemanden so recht erklären. Die Worte kommen zwar aus meinem Mund, machen aber beim Zuhören schon keinen Sinn. Zig Euro in ein Gerät investieren, dass jemand anderer ohne nachzudenken dem nächsten Schrotthändler anvertraut. Was will ich denn damit. Retro PC Spiele spielen? Das kann man billiger ohne Aufwand auf jedem normalen Windows 10 PC dank Emulatoren wie DOSBox. Die Software ist so einfach gehalten, dass sogar Anfänger und junge Interessierte die den DOS PC nicht erlebt haben damit umgehen können. Also nochmal: Wozu mach ich den Scheiß?
Haptik
Ein Schlüsselwort zum Verständnis ist die Haptik. Wir leben in einer Welt die immer mehr in eine virtuelle Realität abdriftet. Das ist einem gar nicht bewusst, kann aber sehr einfach veranschaulicht werden. Wo liegen deine Daten? Früher konnte man diese Frage einfach beantworten: Da im Eck, auf der Festplatte (oder auf den Floppies) von meinem PC. Heute liegen Daten in der Cloud. Einem Konstrukt aus einer Menge an Rechenzentren die aus einer Vielzahl aus Rechnern bestehen. Die Daten sind zwar tatsächlich irgendwo physisch verortet, praktisch ist das von einem Benutzer aber nicht mehr feststellbar. Der Mensch verliert den Bezug.
Zurück zur Haptik. Früher hat man den Datenträger mit den Dateien noch in der Hand halten können und sogar in die Tasche stecken. Brauchte man die Daten musste man diese aus der Lade suchen und in ein Laufwerk legen. All diese Prozesse sind physische Arbeit. Man hat die Daten quasi in den Händen gespürt. Das Lesen dieser Informationen hat auch andere Sinne gefordert. Das Klicken und Surren des Laufwerks waren ein alltägliches Geräusch. Manche Datenträger hatten einen besonderen Geruch, auf jeden Fall hatten sie Farben und Formen. In der virtuellen Welt haben Daten keine physische Repräsentation mehr, deshalb ist das „Speichern“ Symbol auch immer noch eine Floppy Disk und keine Wolke!
Erinnerungen
Die prägendsten Erfahrungen macht ein Mensch in der Kindheit. Vermutlich kommt daher meine Faszination für Amiga Computer und DOS PCs. Die ersten Rechner die ich sah waren diese Modelle und dort habe ich auch die erste Erfahrungen mit Spielen gemacht. Die ersten Multiplayer Spiele waren unter anderem Lotus 3, Sensible Soccer, North vs South und Bubble Bobble. Diese Software ist für den Rest meines Lebens mit schönen Erinnerungen gekoppelt. Das trifft nur auf mich zu, für jeden anderen wird das anders sein. Um jemanden also meine Faszination für einen 486er DOS PC verständlich zu müsste ich auch die besten Momente meiner Kindheit erzählen. Das damit verbundene Gefühl ist etwas ganz persönliches.
Da es heute viele Gruppen in Sozial Media und in Foren gibt kann man sich leicht mit anderen austauschen. Über die letzten Jahre habe ich mir ein gutes Bild gemacht. Die Erinnerungen sind zwar für jeden anders, in Summe gibt es aber sehr viele Mitte 30er da draußen die genau die selben Gefühle dabei empfinden und einen ähnlichen Bezug zur alten Hardware haben. Das dürfte ein Ding dieser Generation sein. Bin gespannt woran meine Kinder in 20 Jahren hängen. Ich bin da leider etwas skeptisch, weil die heutige Hardware (iPhone und Co) wird in 20 Jahren wohl nicht mehr nutzbar sein. Ob sie trotzdem etwas ähnliches finden werden?
Spaß / Ärger
Die Beschäftigung mit alter Hardware macht sehr viel Spaß, ist aber auch oft sehr frustrierend. Ich habe beispielsweise sehr viel nachlernen müssen. 8 und 16 bit Hardware ist um vieles einfacher aufgebaut als heutige CPUs und SSDs. Man kann sie sogar selber reparieren (bis zu einem gewissen Grad), muss aber bei der Konfiguration sehr viel Wissen mitbringen. Alleine schon die Konfiguration vom Motherboard über physische Jumper. Eine Spaß, vor allem ohne Manual. Defekte kann man selber reparieren, aber auch verursachen. Einen alten Prozessor kann man durch Unachtsamkeit schnell physisch zerstören (wenn zum Beispiel die Pins abbrechen).
Wenn der Rechner aber nach harter Arbeit und viel Recherche endlich läuft ist das ein Wahnsinns Glücksgefühl. Genau so wenn man die Software endlich versteht oder das erste Retro Programm auf dem 8 Bit Rechner korrekt compiliert. In der damaligen Zeit war das vermutlich banal, heute stirbt die Generation die sich gut auskennt langsam aus.
Schule
Im ersten Jahr Informatik hatten wir auch 486er Rechner auf denen wir Turbo Pascal programmierten. Obwohl die Kisten damals schon total veraltet waren ist mir der Unterricht noch gut in Erinnerung. Für mich war Informatik immer das Highlight der Woche.
Fazit
Das sind nur einige Punkte die mir spontan einfallen. Ich hoffe ihr seht das ähnlich und könnt die Faszination zumindest ein wenig nachvollziehen. Ich freue mich schon sehr auf den Urlaub, dann kann ich zwei Wochen alles nachholen, was ich die letzten 20-30 Jahre vermisst hatte. Für das eine oder andere Adventure und Rollenspiel wird die Zeit aber trotzdem zu knapp…
Alle Artikel dieser Artikelserie:
Mein 486er PC
Mein 486er PC – Hardware
Mein 486er PC – LED Anzeige
Mein 486er PC – Nachtrag
Welche Erinnerungen habt ihr an 486er PCs?
Toll geschrieben, ja die Haptik, das „Klick… Schripp“ wenn eine 3,5″ Floppy eingelegt wurde oder die noch älteren 5 1/4 Zoll DIsketten wo man anhand der Schleifgeräusche im Laufwerk deren Alter erahnen konnte und lieber noch schnell eine Sicherheitskopie anfertigte. Der permanente Speicherplatzmangel. Auf einer 40MB!!! Festplatte belegte DOS 6.22 samt Treiber und den wichtigsten Tools wie Northon COmmander gleich mal 10MB, da blieb nicht viel übrig. Der ständige Kampf um die begehrten 640KB freien Arbeitsspeicher. Egal ob man 8 MB Ram hatte, frühe Dos Games wollten im 640KB Raum laufen, das war seit dem XT so. Das Erfolgserlebnis wenn man neue Hardware erst mit unzähligen Jumpern die BASE Adresse, IRQ, DMA und sonstigen Einstellungen zum laufen bewegen musste und nicht immer im Hinterkopf hatte, welche Adressen schon belegt wurden. Treiberupdates gab es nicht aus dem Netz zu laden, es gab überhaupt nichts, wo man mal eben Nachschlagen konnte. Es war eine langsamere weniger Hektischere Zeit, man hat sich noch Wochen und Monate mit Spielen beschäftigt, die auf eine einzige Diskette passten. Civilisation zb. Unser Mario hieß Commander Keen, spielte sich aber genau so butterweich. Der PC Speaker Piepte und Quäkte in einigen Spielen fast zum Wahnsinn. Nachts wurde er einfach mal abgeklemmt, schließlich sollten die Eltern nicht mitbekommen, dass man schon wieder am PC saß, naja die laute Festplatte war eh durch die ganze Wohnung zu hören. Aber all das sind Erinnerungen mit allen Sinnen, die einem auch nicht die besten Emulatoren bieten können. Ein CRT hatte eben ein ganz besonderes anderes Bild als es ein Flachbildschirm jemals könnte. Ich könnte ewig so weiter erzählen aber ich übergebe das Wort lieber an weitere Kollegen und widme mich jetzt wieder der Restaurierung eines über 40 Jahre alten PC XT’s.
Solche Kommentare sind der Grund warum das bloggen so viel Spaß macht! Danke dafür!