Vintage computing – der Reiz an alter Hardware
Ich bin mittlerweile schon über zwei Jahre an vintage computing interessiert. Alte Hardware ist mittlerweile mein liebstes Hobby. Doch was macht man da und wie funktioniert das. Was ist so schön an Hardware, besonders an alten und seltenen Computer Teilen?
Vintage computing – der Reiz an alter Hardware
Es ist wieder ein Tag wie jeder andere, an dem ich nach der Arbeit heim komme und den PC starte. Nach einigen Sekunden ist Windows 98 gestartet und ich kann mit dem Basteln beginnen. Moment mal: Windows 98? Spinnst du? In meinem aktuellen Projekt bin ich dabei meinen ersten eigenen PC wieder zusammenzustellen und diesen funktionell zu machen. Es soll später als Retro Spiele PC dienen.
Atmosphäre
Es ist schon ein ganz anderes Gefühl, wenn man einen 90er Jahre PC startet. Der laute Lüfter, das Rattern eines Floppy Laufwerks und das, im Verhältnis zu heute, extrem laute knacken und stottern einer IDE Festplatte. Nach einigen Wechsel zwischen BIOS Bootsequenz, DOS Ausgaben und dazwischen eingeblendeten Windows Logos ertönt dann doch endlich der penetrante Startsound vom Betriebssystem. Damals ist mir das noch extrem auf die Nerven gegangen, heute wirkt das nostalgisch und man fühlt sich ein wenig jünger als noch zuvor. Allein der Ton dieser Sequenz beschreibt sehr gut eine Zeit die 10 – 15 Jahre gedauert hat. Davor gab es mit den ersten Heimcomputer (C64, Amiga) Geräte die bis auf das Laufwerk gar keine Geräusche machten, danach verschwand der Sound zuerst mit den USB-Sticks, danach mit SSD Platten.
Glorifizierung
Denkt man heute an frühere Zeiten zurück, dann war meistens immer alles besser. Der Mensch hat ein Talent dafür Negatives nach längerer Zeit zu vergessen und nur die positiven Erfahrungen zu konservieren. Deshalb denkt man, wenn man Retro hört, auch immer an etwas Positives. Nur lässt sich den aktuellen Trend zu Schallplatten, Musikkassetten und alter Hardware erklären. Es heißt in den Medien auch immer der „legendäre C64“ und niemals „zum Glück gibt es den Mist nicht mehr“.
Mir ging es beim Zerlegen und reinigen meines alten PCs auch so. Jedes Teil für sich angreifen, begutachten und im Geist die Erinnerung abrufen, wie toll das nicht war. Das ist sehr motivierend, vor allem wenn man sieht, wie gut die Platinen nach fast 20 Jahren aussehen. Wenn diese trocken gelagert wurden sehen die aus wie neu!
Historische Einordnung
Das Spannendste an vintage computing ist die historische Einordnung. Ich bin erst beim zerlegen drauf gekommen, dass ich den Prozessor in der Hand halte. Ich dachte zuerst, das ist nur ein Lüfter zum Aufstecken. Tatsächlich gab es bei einigen Pentium 2 und 3 Modellen eine Slot 1 Bauform, bei der der Prozessor als Board zum Aufstecken auf Motherboard designed war. Das gab es seither nicht mehr. Man lernt gleich beim Zusammenstecken viel darüber, wie sich die Technik seither geändert hat.
Bei den ganzen Zusatzkarten wie Grafikkarte, Soundkarte, Netzwerkkarte, TV-Karte, oder einfach ein USB Adapter steht man oft vor einem Problem. Es ist maximal der Hersteller und eine Modellnummer aufgedruckt. Den passenden Treiber dazu zu finden ist manchmal sehr spannend. Man benötigt vielfach den aktuellsten Treibe für ein bestimmtes Betriebssystem. Wenn der Hersteller schon lange in Konkurs ist muss man auf 3rd Party Seiten hoffen. Meist sind ja die alten Treiber CDs schon lange verschwunden.
Ideeller Wert
Mein erster PC hat aktuell einen sehr großen ideellen Wert für mich. Nach langem Kampf haben wir den damals von unseren Eltern bekommen und nach drei Jahren wurde dieser PC bereits von einem neuen System ersetzt. Die letzten 15 Jahre war mir das Gerät egal, es lagerte im Keller und wurde staubig. Seitdem ich aber aktiv alte Hardware sammle (seit meinem Amiga 500) und verwende, hat gerade der erste PC wieder einen großen Wert bekommen. Ich war froh, dass ich ihn wieder gefunden habe – noch mehr als er sogar noch startete.
Realer Wert
Die Hardware die damals recht teuer war ist heute wenig wert, sollte man meinen. Ich habe durch gebrauchten RAM Speicher den PC etwas aufgerüstet und rein aus aus Interesse auch andere Bestandteile auf ein Update recherchiert. Es ist beispielsweise extrem interessant, wie viele Slot 1 Pentium 3 Prozessoren heute noch angeboten werden. Mit Versandkosten zahlt man da auch gleich mal 30 – 100 Euro. Dafür bekommt man bereits Low-End Geräte mit aktuellerer Hardware. Ich frage mich, wer außer Sammler diese Prozessoren kaufen soll. Ich würde mir gerne meinen 500 MHz auf zum Beispiel 700 MHz aufrüsten, das ist aber im Vergleich zu aktueller Hardware aber extrem teuer. Das heißt ich könnte mir, wenn ich einen neuen PC brauche, Komplettsysteme günstiger hinstellen.
Fazit
Vintage computing ist ein total faszinierendes Hobby. Man begibt sich dabei nicht nur auf eine Reise in die Vergangenheit. Es ist fast wie eine archäologische Ausgrabung. Man hält Gegenstände in der Hand und muss erst wieder neu herausfinden wie diese funktionieren. Es ist zudem ein recht günstiges Hobby, man kann mit ein paar Euro am Flohmarkt anfangen oder sogar gratis am Dachboden der Eltern. Andererseits kann man auch ein Vermögen ausgeben um ganz seltene Stücke zu erwerben. In jeden Fall steht dabei immer eine Auseinandersetzung mit der Hardware im Vordergrund. Sie will gereinigt und herausgeputzt werden. Kann man dann auch noch die Software nutzen, dann ist das umso schöner. Als Ergebnis erhält man entweder ein Ausstellungsstück für die Wohnung oder aber sogar ein Gerät, dass man nutzen kann.
Was denkt ihr über vintage computing? Wer hat von euch noch den ersten Rechner wo stehen und würde den auch gerne wieder herrichten? Wer findet, dass dieses Hobby Blödsinn ist und das alte Zeugs auf den Müll gehört?
Ich habe ausgelöst durch LGR mit dem Thriften angefangen, also zuerst der Jagd nach alten Games. Ich habe dann noch meine alten BigBox-Games im Elternhaus „ausgraben“ können und meinen ersten PC gleich dazu. Den zum idealen Windows 98 PC umzurüsten hat mich jetzt zum Kleinanzeigen und Flohmarktjäger werden lassen. Damit er als Ausstellungsstück taugt, stehe ich jetzt kurz vor den ersten Retrobright-Experimenten.
Das zunehmende Unbehagen seitens meiner Frau angesichts wachsender Hardware-Berge lässt sich noch in Schach halten, da ich Funde regelmäßig wieder über Ebay abgebe.